Die jüdische Gemeinde in Röbel nutzte für die Beerdigung ihrer Toten einen kleinen Friedhof jenseits der alten Stadtmauern. Der südöstlich der Neustadt gelegene Platz wurde 1702 als „Juden-Kirch-Hof“ in den städtischen Akten erwähnt. Ob es an dieser Stelle bereits im Hochmittelalter einen Begräbnisplatz der Juden gab, ist nicht bekannt.
Das Grundstück des Friedhofs war im Scheunenviertel der Stadt gelegen und hatte die Form eines Quadrates mit einer Seitenlänge von ca. 30 Metern. Der Eingang zum Friedhof war auf der Nordwestseite und von zwei Postamenten aus Ziegelstein eingefasst.
Der „Gute Ort“, wie die Juden ihren Friedhof auch nennen, befand sich auf einem leicht erhöhten Gelände und war mit alten Bäumen bestanden. Für mehr als 200 Jahre diente er der Gemeinde als Begräbnisplatz. Die letzten Bestattungen auf diesem Friedhof waren die Beerdigung der Ehefrau des Kaufmanns Robert Beyer im Jahr 1937 und die Grablegung von Dora Engel im Jahr 1938. Alle anderen zu dieser Zeit noch in Röbel lebenden Juden wurden deportiert und starben in Theresienstadt und Auschwitz.
Doch auch die Toten sollten keine Ruhe mehr finden. Im Jahr 1942 verordnete die Landesregierung den amtlichen Vandalismus. Alle Einfriedungen und Grabmäler aus Eisen wurden entfernt und der rohstoffbedürftigen Kriegswirtschaft zugeführt, die meisten Grabsteine wurden einem ortsansässigen Steinhauer verkauft.
Nach dem Krieg wurde ein Teil des Röbeler Scheunenviertels, dazu gehörte das Areal des Friedhofs, kurzzeitig für die Internierung ehemaliger russischer Kriegsgefangener genutzt. Die gerade Befreiten erwarteten hier ihren Abtransport in die Heimat.
Trotz aller Zerstörungen war der Friedhof durch die Pfeiler am Eingang und seinen Baumbestand noch wahrnehmbar. In dieser Zeit zeichnete der Röbeler Maler und Grafiker Werner Schinko noch mehrere Ansichten des Geländes.
Im Januar 1950 stellte die Jüdische Landesgemeinde das Friedhofsgelände der Stadt Röbel „für produktive Zwecke“ zur Verfügung. Welche Überlegungen den damaligen Landesverband bewog, den Guten Ort entgegen allen religiösen Bräuchen preiszugeben, kann heute nur gemutmaßt werden. Im Protokoll der Stadtratssitzung vom 24.1.1950 heißt es: "Ferner werden wir gebeten, die vorhandene Grabplatte zu verkaufen und das Geld auf das Konto der Jüdischen Landesgemeinde, Schwerin, zu überweisen."
Am 13.3.1950 bestätigt die Jüdische Gemeinde der Stadt Röbel schließlich den Erhalt von 400 DM als Erlös für die erhalten gebliebene Grabsteinplatte.
In den sechziger Jahren wird ein Teil des Friedhofshügels abgebaggert. Ein Zeuge erinnerte sich später: "Bekannt wurde mir der Umstand, dass früher an dieser Stelle ein jüdischer Friedhof war, erst im Laufe der Abtragungsarbeiten, da durch die Baggerarbeiten Gebeine und auch Zinksärge sichtbar wurden. Es wurden auch gemauerte Gewölbe freigelegt und entfernt."
Der bereits erwähnte Künstler Werner Schinko beschwerte sich bei der Stadtverwaltung erfolglos über das pietätlosen Tun. Ein Großteil des Geländes wurde planiert, das Erdreich abtransportiert und zum Verfüllen von Söllen verwendet. Eine Tankstelle und eine Autoreparaturwerkstatt entstanden.
Später wurde ein weiterer Teil des Friedhofsgrundstücks dem benachbarten Anwesen zugeschlagen. Nur der Efeubewuchs an der entstandenen Böschung ließ noch ahnen, dass dieser Ort eine besondere Geschichte hatte.
Der Konkurs der bisherigen Nutzer dieser Fläche und Ansiedlungsplanungen einer Supermarktkette ließen die Diskussion um den Umgang mit diesem Gelände erneut aufkommen.
Für unseren Verein war klar, dass angesichts der inzwischen erfolgreichen Bemühungen um die Sanierung des Synagogengebäudes eine weitere Überbauung des Friedhofs verhindert werden musste. Dieser Platz ist ein Ort sowohl für Jahrhunderte lang währende Toleranz als auch für Schuld und Verdrängung im letzten Jahrhundert. Die erhaltenen Rudimente des einstigen Friedhofs stellen ein Geschichtsdenkmal dar.
Das Ziel des armenisch-deutschen Workcamps im Juli 2002 war es, diesen Platz in das Gedächtnis der Menschen zurückzuholen. Unter der Leitung des berliner Künstlers Wolf Leo schufen die jungen Leute Stelen aus Beton und Lehm, die so aufgestellt wurden, dass die ursprüngliche Ausdehnung des Friedhofareals wieder sichtbar wurde. Der so entstandene Erinnerungsort inmitten einer gewerblichen Brachlandschaft wurde in Anwesenheit der stellv. Bürgermeisterin und einiger Stadtvertreter eingeweiht.
Das Vorhaben fand nicht nur Befürworter. Ein Besitzer der benachbarten Gewerbefläche sah die Verwertbarkeit seines Grundstücks gefährdet und drohte die Zerstörung der Stelen an. Sechs Wochen später war es dann soweit. Durch den Lärm der Vandalen geweckt, alarmierte eine Nachbarin die Polizei, die allerdings nur noch die Zerstörung der meisten Stelen feststellen konnte.
Unsere Anzeige erbrachte zwar keine Ergebnisse bei der Ermittlung der Täter. Das Bundesvermögensamt als Eigentümer der Liegenschaft sah sich nach diesen Vorgängen allerdings veranlasst, der Forderung des Vereins, eine kommerzielle Nutzung des Geländes zu verhindern, nachzukommen. Eine Übergabe des Friedhofsgeländes an die Stadt ist geplant.
Pressemeldung Nordkurier
Sonnabend, 22. Februar 2003
Staatsanwaltschaft ermittelt nicht im Fall jüdischer Friedhof
Röbel (tü/dl). Im Fall der Zerstörung von sechs Stelen und einer Tafel, die in der Müritzstadt Röbel an den jüdischen Friedhof in der Mirower Straße erinnern sollen (Nordkurier berichtete), wird es keine Ermittlungen geben. Die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft sieht keinen Ansatz dafür.
Wie der leitende Oberstaatsanwalt Rainer Moser auf Nachfrage mitteilte, seien die Akten seit Mitte Januar bei der Staatsanwaltschaft gesichtet worden .
"Die Auswertung der Spuren hat nicht gereicht, um die Zerstörung bestimmten Personen anlasten zu können", sagte er. Man wolle schließlich Nachweise führen und keine Spekulationen nähren. "Alles, was möglich war, wurde gemacht", betonte Moser. Man rechne auch nicht damit, dass per Zufall der entscheidende Hinweis noch eingehen werde. "Es ist natürlich damit auch offen geblieben, ob eine politische Motivation dahinter steckt", räumte er ein. Möglicherweise gehöre die Tat zu den "heutzutage schlechten Angewohnheiten" Eigentum zu zerstören.
Der Vorfall hatte sich in der Nacht vom 15. auf den 16. August 2002 ereignet. Die Beton-Lehm-Kunstwerke, die junge Armenier und Deutsche Ende Juli vergangenen Jahres in Röbel errichtet hatten, waren offenbar mutwillig zerstört worden. Nur zwei in den Boden eingelassene Platten waren verschont worden. Robert Kreibig vom Verein "Land & Leute" vermutet Monate nach der Tat auch keinen politischen Hintergrund. Die Mitglieder um Kreibig beschäftigen sich seit längerer Zeit mit dem nicht mehr als Friedhof zu erkennenden Areal. Das Workcamp im Sommer hatte eigens das Ziel, den Ort mittels der Stelen und Tafeln zu kennzeichnen. Es sollte an den "Guten Ort" - wie Juden Bestattungsplätze nennen - erinnern